Wisst ihr, was richtig frustrierend ist? Wenn sich die große Liebe für ein ganz anderes Girl interessiert, aber nicht für dich.
Manchmal allerdings kann ein junges Mädchen dann doch Glück haben und sich die große Liebe trotzdem noch erobern. Wenn es auch manchmal einen besonderen Anlass wie beispielsweise ein Theaterstück dafür braucht …
Ich gehe in die 12. Klasse. Damit bin ich wie meine Mitschüler und Mitschülerinnen aus meiner Klasse und den zwei Parallelklassen zwar eigentlich schon erwachsen, da 18 Jahre alt, aber weil wir eben noch Schüler sind, nimmt uns noch so recht keiner für voll. Umso mehr freuen wir uns alle auf den Moment, in dem wir die Schule endgültig hinter uns lassen können.
Was in unserem Fall bedeutet, dass wir dazu nicht nur das Abitur bestehen müssen, sondern zusätzlich auch noch ein Theaterstück auf die Beine stellen müssen. Das ist nämlich an unserer Schule so Tradition – einen Tag vor der eigentlichen Abiturfeier muss die Abschlussklasse für die Lehrer, die Eltern und jeden, der sonst noch so kommen will, ein Theaterstück aufführen.
Ich hatte eigentlich überhaupt keine Lust, dabei mitzumachen. Denn, wie ihr es bereits erraten habt, ich bin unglücklich verliebt. Oder vielmehr, ich war es. In Matthias, der in meine Klasse geht.
Seine Noten sind beschissen, aber er sieht super aus, ist absolut sportlich, hat immer eine große Klappe und ist der Schwarm aller Mädchen. Dagegen hatte ich als Klassenbeste, obwohl ich nun wirklich nicht hässlich bin, keine Chance.
Er hatte nun einmal die freie Auswahl, und er hat sich Carola als Freundin ausgesucht, eine hübsche, schlanke Blondine mit mehr Haaren auf dem Kopf als Grips im Kopf – aber für den Sex kommt es ja mehr auf die Haare als aufs Denken an …
Ich war maßlos enttäuscht; nicht nur, dass Matthias sich für mich nicht interessierte, sondern auch, weil er einen so erschreckend unintelligenten Ersatz gewählt hat; aber nun, da war nichts zu machen.
Meine Position als Klassenbeste und meine Erfahrung mit einer Laienspielgruppe am örtlichen Theater verschaffte mir dann aber zwar nicht Matthias als festen Freund, aber die Hauptrolle in dem Stück, das ein Mitschüler selbst geschrieben hatte. Widerwillig, aber doch nahm ich an.
Wobei ich ziemlich entsetzt war, als ich das Stück dann zu Hause gelesen hatte; es war ein astrein erotisches Stück, mit jeder menge Küssen und Kuscheln und sexueller Andeutungen. Dann allerdings stellte ich mir vor, wie entsetzt die Eltern und Lehrer bei der Aufführung dreinschauen würden und amüsierte mich. Auf einmal reizte mich die weibliche Hauptrolle ungeheuer.
Der Reiz der Rolle wuchs noch, als ausgerechnet Matthias zu meinem Gegenspieler ausgewählt wurde und die männliche Hauptrolle spielen sollte. Wenn ich daran dachte, was für intime Szenen ich mit ihm zusammen proben und spielen sollte, wurde ich gleich an mehreren Stellen feucht; einmal vor Nervosität an den Handflächen, und dann vor zitternder Aufregung zwischen meinen Beinen …
Carola war ziemlich sauer, aber blonde Haare allein reichen eben nicht aus, um spielen zu können – und so musste sie sich mit einer Statistenrolle begnügen.
Die Proben begannen.
Und gleich in der ersten Szene gibt es einen heißen Kuss zwischen den beiden Protagonisten. Mein innerer Tumult war so groß, wenn ich daran dachte, dass ich die ganze Nacht davor nicht schlafen konnte.
Zuerst erhielten wir eine kleine Einführung in Sinn und Zweck des Stücks vom Autor und unserem Regisseur, einem weiteren Mitschüler, dann mussten wir alle unseren Text lesen, indem wir still auf unseren Stühlen saßen, doch anschließend ging es dann richtig mit dem Proben los.
Ich war so aufgeregt, dass ich mich anfangs ein paar Mal mit meinem Text verhaspelte, obwohl ich ihn eigentlich schon sehr gut auswendig konnte. Das trug mir den Unmut aller Umstehenden ein.
Dann stolperte ich auch noch über eine Tasche, die jemand ganz blöde mitten im Weg hatte liegen lassen, und verknackste mir den Knöchel. Ich hätte heulen können vor Wut auf mich selbst und vor Enttäuschung.
Auf einmal meinte Matthias: „Ich finde, das sollten wir ins Stück einbauen. So wird es doch viel besser verständlich, warum ich Anne auf einmal umarme, obwohl wir uns gerade eben noch gestritten haben. Sie stolpert und stürzt, ich beuge mich besorgt zu ihr herab, und dabei passiert es dann.“
Er hatte kaum ausgesprochen, da führte er es auch schon genau vor, was er meinte, beugte sich zu mir herab, fasste mir besorgt an die Schulter. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten.
Meine ganze aufgestaute Verliebtheit brach auf einmal durch; ich schlang die Arme um seinen Hals, zog ihn ganz zu mir herunter und küsste ihn. So wie es ja eigentlich auch im Drehbuch stand …
An sich sollte es ein ganz unschuldiger Bühnenkuss werden; doch auf einmal merkte ich, wie Matthias‘ Zunge recht vorwitzig und energisch versuchte, mit seiner Zunge meine Lippen zu teilen. Und so wurde es statt eines Bühnenkusses ein echter französischer Zungenkuss, den wir uns da vor den Augen aller gaben.
Nun weiß ich allerdings nicht so genau, wie ich den Sturz wieder und wieder bei den proben und bei der Aufführung hinbekommen soll, so dass er echt wirkt. Aber ehrlich gesagt ist mir das auch ziemlich schnuppe. Ganz gleich was vorher kommt – danach darf ich Matthias‘ Kuss erwarten. Und zwar sowohl nach dem Stolpern auf der Bühne, als auch nach der Probe in seinem Auto …